Ist die Sperrstunde das richtige Mittel für Lingen?
Konstruktive Diskussionen auf M&M-Veranstaltung von CDU und JU im Qurt
Lingen – Die Frage, ob Lingen tatsächlich eine Sperrstunde braucht, konnte am Mittwochabend im Qurt im Rahmen der CDU-Veranstaltungsreihe „Marktplatz Meinung“ (M&M) zwar nicht abschließend beantwortet werden. Es wurde aber von vielen Anwesenden in Frage gestellt, ob sie das geeignete Mittel gegen die auftretenden Lärmbelästigungen und erhöhte Gewaltbereitschaft zu späterer Stunde in der Innenstadt ist. Und auch die Stadtverwaltung – so wurde an dem Abend deutlich – will zunächst andere Lösungsansätze verfolgen.
Auf Einladung der Stadtverbandsvorsitzenden Irene Vehring (CDU) und Henrik Duchscherer (Junge Union) waren zahlreiche Innenstadt-Wirte, Anwohner und Interessierte ins Qurt gekommen – unter ihnen auch Oberbürgermeister Dieter Krone und Erster Stadtrat Dr. Ralf Büring. Bevor Karl-Heinz Brüggemann als Leiter der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim gemeinsam mit Klaus Herbers (Leiter Einsatz- und Streifendienst) die Anwesenden mit Zahlen, Daten und Fakten aus der polizeilichen Kriminalitätsstatistik informierte, begrüßten die Vorsitzenden Irene Vehring und Henrik Duchscherer die Gäste. „Wir wollen die verschiedenen Meinungen hören und wünschen uns eine offene, konstruktive Diskussion. Auslöser unserer M&M-Veranstaltung war die Vorstellung der Kriminalstatistik im Rat im April diesen Jahres und die damit verbundene Forderung von Herrn Brüggemann, man möge über eine Sperrstunde in Lingen erneut nachdenken.“
Warum sich die Polizei für eine Sperrzeit bei den Öffnungszeiten von Gaststätten, Clubs und Diskos in der Innenstadt ausspricht, begründeten die Polizei-Vertreter Brüggemann und Herbers mit der Zunahme an Körperverletzungsdelikten unter Alkoholeinfluss. „Je später der Abend, desto voller die Leute“, brachte es Klaus Herbers auf den Punkt. Die ersten Nachfragen aus dem Publikum drehten sich daher darum, ob diese Situation zu Zeiten der damaligen Sperrstundenregelung vor der Abschaffung durch den Landesgesetzgeber 2006 anders bzw. besser gewesen sei. Eine klare Antwort gab es dazu auch von Seiten der Polizei nicht. Fakt ist aber, dass sich die Problemfälle heute anders als damals vermehrt zu nächtlicher, fast frühmorgendlicher Stunde auftun.
Intensiv beteiligten sich auch die erschienenen Gastwirte an der anschließenden Diskussion. Dabei wurde deutlich, dass diese selbst größtenteils keine Probleme mit der Einführung einer Sperrstunde hätten, allerdings vor der Außenwirkung für eine attraktive, belebte und studentenfreundliche Stadt warnten, wie insbesondere Litfass-Wirtin Heidi Jürgens verdeutlichte. Mustafa Sahinkus als Inhaber des „Palacio“ forderte zudem eine verstärkte Polizeipräsenz in der „heißen Phase“ zwischen 23 Uhr abends und 4 Uhr nachts, worin er von vielen unterstützt wurde. Qurt-Gastronom Markus Quadt stellte fest: „Alle Wirte halten ihre Läden in Ordnung und geben sich Mühe. Wer als Kunde Stress und Ärger macht, bekommt ein Hausverbot.“ Daher sollte man die wenigen Chaoten aus den Kneipen raushalten und eine Sperrstunde nur dann einführen, wenn nichts anderes mehr helfe.
Relativ schnell fokussierte sich an dem Abend heraus, dass sich die Diskussion immer wieder um ein, zwei Gaststätten dreht, die bei Polizei, im Ordnungsamt und der Öffentlichkeit als auffällig gelten und das Problem durch Vorfälle und Polizeieinsätze in besonderer Weise anfeuere. „Warum kann man die Sperrstunde also nicht für diese eine Gaststätte einführen?“, fragte Thomas Klingenberg von der Diskothek Joker.
Die Sicht derer, die als Anwohner um die Gaststätten herum von Lärmbelästigungen betroffen sind, vertrat Michael Henning. „Am Wochenende kann ich noch damit leben, aber zumindest in der Woche möchte ich meine Ruhe haben“, spielte er auf eine dieser Kneipen an, die regelmäßig am Donnerstagabend für Unruhe auf dem Marktplatz sorgt.
Nachdem in verschiedenen Diskussionsbeiträgen immer wieder die Stadt angesprochen wurde, nahm Dr. Ralf Büring als zuständiger Dezernent den Ball auf und ergriff das Wort. Er betonte zwar die gute Zusammenarbeit mit der Polizei, verhehlte aber nicht, dass man gerade beim Thema Sperrstunde nicht durchgängig einer Meinung sei. Büring begründete den eher zurückhaltenden Standpunkt der Stadtverwaltung vor allem mit rechtlichen Vorbehalten. Und auch ganz persönlich hegt der Jurist Zweifel daran, ob es „zu substanziellen Verbesserungen“ mit einer Sperrzeit komme, worin er generell „kein Allheilmittel“ sehe.
Büring zeigte andere Lösungsansätze auf und verwies auf einen „Runden Tisch“ mit einigen Gastwirten. „Eine Idee daraus ist, eine Art Zivilstreife, die von den Gastronomen mitverantwortet und deren Kosten von diesen mitgetragen werden.“ Aber auch eine verstärkte Polizeipräsenz dürfe kein Tabuthema sein, so der Erste Stadtrat. „Diesen Prozess sollten wir in aller Ruhe und Gelassenheit angehen. Ein Versuch ist es wert!“
Wichtig, da waren sich alle Beteiligten am Ende einig, sei es, einen Ausgleich der Interessen von Anwohnern einerseits sowie einer pulsierenden und attraktiven Innenstadt auf der anderen Seite zu finden. Hierbei gebe es verschiedene Ansätze, an die man zunächst denken müsse, bevor man die Sperrstunde einführe. Für diese Aussagen Bürings gab es an dem Abend viel Applaus.
Die Organisatoren der CDU-/JU-Veranstaltung zeigten sich mit dem Ablauf der sachlichen Diskussion sehr zufrieden und bedankten sich am Schluss insbesondere bei der Polizei, für diese Veranstaltung zur Verfügung gestanden zu haben.