K.I.Z. -Urlaub Fürs Gehirn Tour 2012 am Samstag, 30.03.2012 in Lingen im Alten Schlachthof

13. Januar 2012 | Von | Kategorie: Konzerte, Veranstaltungen

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„Iiieeehh, da steht Deutscher Hip Hop. Das ist der, der immer nur mit dem Kopf nickt und
böse durch den Club schielt. Schnell weg.“ Plötzlich durfte gegrölt, gesungen und
gesprungen werden. K.I.Z. erlösten diesen Jungen aus seiner Starre und brachten den Punk
zurück. Ausverkaufte Konzerthallen waren die logische Konsequenz und mit
„Hahnenkampf“ kam dann 2007 auch das stark erwartete Major-Debüt der Band, mit dem
man die Top Ten knacken konnte. Platz 9 hieß es zuletzt und der Mob lügt nicht.
Die Konzertarenen wurden größer und größer. K.I.Z. spielten eine komplette Tour nur für
diejenigen, die ansonsten immer draußen bleiben müssen, abseits der großen Städte in
Dorfdiskos und Städten unter 100.000 Einwohnern und auch diese Maßnahme war von
Erfolg gekrönt. „Sexismus gegen Rechts“ das nächste Album der Band errang dann Platz
7 in den deutschen Albumcharts und wäre unter Umständen sogar noch höher eingestiegen,
hätte da nicht der King Of Pop beschlossen abzuleben und schnell noch drei Best Of Alben
vor den Kannibalen In Zivil zu positionieren – kleine Anekdote am Rande.
K.I.Z. gründeten eine Sekte mit jeder Menge Jüngerinnen und Jüngern, und alle tragen
dieselben Jacken und sind damit beschäftigt den abstrusen Humor der Band und ihre Lieder
zu feiern. Denn mittlerweile haben K.I.Z. den Status von unantastbaren Popstars erreicht
und lassen sich in goldenen Sänften von ihren arbeitslosen Freunden durch die Hauptstadt
tragen – angemeldet beim Arbeitsamt als 1-Euro-Job.
Denn eins darf man nicht vergessen, bei all dem Klamauk und der aufgesetzten Witzigkeit:
K.I.Z. sind keine Clowns. K.I.Z. sind Propheten und alles, was sie sagen ist wahr. Das
Lachen dürfte den meisten in der Zwischenzeit im Hals stecken geblieben sein, denn was
sich bei Nico, Tarek, Maxim und DJ Craft so locker flockig, flauschig weich und
sympathisch anhört, ist bitterer ernst. Das ist auf dem neuen Album „Urlaub fürs Gehirn“
nicht anders.
So beschreibt „Lach mich tot“ die Einsamkeit des modernen Stadtnomaden, der zwar den
Arm voller Stempel für alle möglichen angesagten Szeneschuppen hat, aber eine Leere im
Herzen verspürt, dass man sich letztendlich nur noch von der Dachterrasse des Weekend
stürzen möchte.
Mit „Doitschland schafft sich ab“ liefern sie genug Material für eine neues Thilo Sarrazin
Buch, das mit Erkenntnissen aufwartet, über die sich tatsächlich einmal lohnt nachzudenken.
Warum sind 90% der Knastinsassen männlich? Warum dürfen Frauen in der Küche stehen,
während die Männer nach Afghanistan zum Kämpfen müssen? Das sind die Fragen mit
denen man sich mal wirklich einmal beschäftigen sollte. K.I.Z. tun es und haben den Mut,
Themen anzusprechen, die nicht einmal Horst Seehofer anpacken will.
„Fleisch“ beschreibt die verzweifelte Nahrungsbeschaffungsmaßnahme eines Mannes, der
seinen unterbezahlten Job in einer Schnellrestaurantkette verliert und seinem kleinen
Jungen trotzdem eine gesunde und nahrhafte Mahlzeit auf den Tisch bringen möchte. Was
tun, wenn der Kühlschrank leer ist und die Taschen ebenfalls? Tarek schlägt in seinem Song
etwas ungewöhnliche Lösungsansätze vor und manch einer aus dem verweichlichten
Bürgertum wendet sich mit Grausen ab, doch das ist die Realität und witzig ist das nicht.
Mit „Abteilungsleiter der Liebe“ greifen Maxim, Nico und Tarek wiederum ein
Grundproblem der herrschenden Klasse auf. Wohin mit all der Zuneigung und den Gefühlen,
wohin mit all der Fürsorglichkeit und Herzenswärme, die man seinen Untergebenen
entgegenbringt und sie dann doch letztendlich gehen lassen muss? Andere nennen es
„Rausschmiss“ oder „Feuern“, im Endeffekt aber ist es doch so, als würde man sich selbst
ein Bein abschneiden. Die Schmerzen sind unerträglich, aber keiner will es sehen. Bedauert
werden letztendlich nur diejenigen, die in die Freiheit entlassen werden. K.I.Z. lenken
unseren Blick auf diejenigen, die zurückbleiben in den Chefetagen. Einsam, allein, verhöhnt
vom einfachen Volk, das nichts versteht und begreift und sie tun gut daran, auch einmal die
andere Seite zu zeigen.
Wenn K.I.Z. zusammen mit jeder Menge Freunde das Hohelied des Kiffens anstimmen,
dann mag das in Bayern zwar immer noch anstößig sein, doch setzt die Band auch hier ein
Zeichen. In Zeiten, in denen es zum guten Ton gehört – gerade auch in den sogenannten
besseren Kreisen – Kokain zu konsumieren, dicht gefolgt von Ketamin, und Gerüchten
zufolge soll ja auch Heroin wieder auf dem Vormarsch sein, ist es durchaus mutig, sich
hinzustellen und zu sagen: „Kiffen ist super.“ In Zeiten, in denen es nur darum geht immer
besser, immer schneller und immer erreichbarer zu sein, sprechen sich K.I.Z. für die
Langsamkeit aus Tüten aus und verweigern sich so, einmal mehr, dem Mainstream.
Insofern ist „Urlaub fürs Gehirn“ der kluge Kommentar zu einer völlig verrückten Welt und
K.I.Z. gelingt es auf diesem Album, diese Welt in einem Zirkus zu bündeln, in einer
einzigartigen Revue einzufangen und als vollkommen durchgedrehte Roadshow wieder aufs
Publikum loszulassen.
Ein ums andere mal möchte man lachen, obwohl man nicht genau weiß, ob man das
überhaupt darf, so böse ist der Humor. Schließlich lacht man doch, aber der Schmerz im
Herz bleibt – das ist K.I.Z im Jahr 2011. Das ist „Urlaub Fürs Gehirn“! – Unterhaltung geht
anders.

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